Der Mammonismus ist die schwere, alles erfassende und überwuchernde Krankheit, an der unsere heutige Kulturwelt, ja die ganze Menschheit, leidet. Er ist wie eine verheerende Seuche, wie ein fressendes Gift, daß die Völker der Welt ergriffen hat.
- zum einen die internationalen übergewaltigen Geldmächte, die über allem Selbstbestimmungsrecht der Völker thronende überstaatliche Finanzgewalt, das internationale Großkapital, die einzig goldene Internationale;
- zum andern eine Geistesverfassung, die sich weitester Volkskreise bemächtigt hat; die unersättliche Erwerbsgier, die rein aufs Diesseitige gerichtete Lebensauffassung, die zu einem erschreckenden Sinken aller sittlichen Begriffe schon geführt hat und weiter führen muß.
Verkörpert und auf die Spitze getrieben ist diese Geistesverfassung in der internationalen Plutokratie.
Die Hauptkraftquelle des Mammonismus ist der mühe- und endlose Güterzufluß, der durch den Zins geschaffen wird.
Aus dem durch und durch unsittlichen Leihzinsgedanken ist die goldene Internationale geboren. Die aus der Gier nach Zins und Wucher jeder Art erwachsene geistige und sittliche Verfassung hat zu der erschreckenden Versumpfung eines Teiles der Bourgeoisie geführt.
Der Leihzinsgedanke ist die teuflische Erfindung des Großleihkapitals, sie ermöglicht allein das träge Drohnenleben einer Minderzahl von Geldmächtigen auf Kosten der schaffenden Völker und ihrer Arbeitskraft[,] sie hat zu den tiefen, unüberbrückbaren Gegensätzen, zum Klassenhaß geführt, aus dem der Bürgerkrieg und Bruderkrieg geboren ist.
Ein einziges Heilmittel, das Radikalmittel zur Gesundung der leidenden Menschheit ist
Die Brechung der Zinsknechtschaft bedeutet die Wiederherstellung der freien Persönlichkeit, die Erlösung des Menschen aus der Versklavung, aus dem Zauberbanne, in die seine Seele vom Mammonismus verstrickt wurde. Wer den Kapitalismus bekämpfen will, muß die Zinsknechtschaft brechen.
Wo muß die Brechung der Zinsknechtschaft einsetzen? Beim Leihkapital!
Warum?
Weil das Leihkapital gegenüber allem industriellen Großkapital so übermächtig ist, daß die großen Geldmächte wirksam nur durch Brechung der Zinsknechtschaft des Leihkapitals bekämpft werden können. 20:1 ist das Verhältnis des Leihkapitals zum industriellen Großkapital. Über 12 Milliarden Zinsen für das Leihkapital muß das deutsche Volk alljährlich in Gestalt von direkten und indirekten Steuern, von Mietzins und Lebensverteuerung aufbringen, während sogar in den Hochkonjunkturjahren des Krieges die Gesamtsumme aller von den deutschen Aktiengesellschaften ausgeschütteten Dividenden nur 1 Milliarde betrug.
Alle menschliche Berechnungsmöglichkeit übersteigend, ist das lawinenartige Wachstum des Leihkapitals durch ewigen, endlosen und mühelosen Güterzufluß aus Zins und Zinseszins.
Welchen Segen nun bringt die Brechung der Zinsknechtschaft für das arbeitende Volk Deutschlands, für die Proletarier aller Länder der Erde?
Die Brechung der Zinsknechtschaft gibt uns die Möglichkeit, die Aufhebung aller direkten und indirekten Steuern zu betreiben. Hört es, Ihr werteschaffenden Menschen aller Länder, aller Staaten und Kontinente, alle aus direkten und indirekten Quellen fließenden Staatseinnahmen fließen restlos in die Taschen des Großleihkapitals.
Die Erträgnisse der werbenden Staatsbetriebe, als da sind Post, Telegraph, Telefon, Eisenbahn, Bergwerke, Forsten u. s. w. reichen vollkommen aus, um alle notwendigen Staatsaufgaben für Erziehung, Bildung, Rechtspflege, Verwaltung, soziale Fürsorge daraus bestreiten zu können.
Also aller wahrer Sozialismus wird solange keinen Segen der Menschheit bringen, als die Erträgnisse aus den gemeinwirtschaftlichen Betrieben gegenüber dem Großleihkapital tributpflichtig bleiben.
Darum fordern wir zunächst als Staatsgrundgesetz für die deutschen Völker, dann als Grundgesetz für alle jene Brüdervölker, welche mit uns die Kulturgemeinschaft eines Völkerbundes eingehen wollen, folgendes:
§ 1. Die Kriegsanleihestücke, sowie alle übrigen Schuldtitel des deutschen Reiches, sowie alle übrigen Schuldtitel der deutschen Bundesstaaten, insbesondere Eisenbahnanleihen, ferner die Schuldverschreibungen, alle Selbstverwaltungskörper werden unter Aufhebung der Zinspflicht zu gesetzlichen Zahlungsmitteln zum Nominalbetrag erklärt.
§ 2. Bei allen übrigen festverzinslichen Papieren, Pfandbriefen, Industrieobligationen, Hypotheken etc. tritt an Stelle der Zinspflicht, die Rückzahlungspflicht; nach 20 oder 25 Jahren ist somit je nach der Höhe der Verzinsung das geliehene Kapital zurückbezahlt und die Schuld erloschen.
§ 3. Alle Immobiliarschulden, Hypotheken etc. werden nach den im Grundbuch eingetragenen Lasten wie bisher ratenweise zurückbezahlt. Das auf diese Weise entschuldete Vermögen an Haus und Bodenbesitz wird anteilweise Eigentum des Staates oder des Selbstverwaltungskörpers. Auf diese Weise kommt der Staat in die Lage, die Mietpreise zu bestimmen und abzusenken.
§ 4. Das gesamte Geldwesen untersteht der Zentralstaatskasse. Alle Privatbanken desgleichen, die Postscheckkassen, Sparkassen und Kreditgenossenschaften werden als Filialbetriebe angegliedert.
§ 5. Aller Realkredit wird nur durch die Staatsbank vergeben. Personal- und Warenkredit wird den Privatbankiers überlassen gegen staatl. Konzession. Diese wird unter Berücksichtigung der Bedürfnisfrage und unter Verbot der Errichtung von Filialen für bestimmte Bezirke erteilt. Die Gebührenordnung wird vom Staate festgesetzt.
§ 6. Die Dividendenwerte werden in gleicher Weise wie die festverzinslichen Papiere in jährlichen Raten von 5% getilgt. Die überschießenden Gewinnerträgnisse werden teilweise als Entschädigung für „riskiertes” Kapital (im Gegensatz zu den festverzinslichen und mündelsicheren Papieren) an die Aktieninhaber hinausbezahlt, während der weitere Überschuß durch das selbständige Recht der Arbeiterschaft entweder sozial verteilt oder zum Abbau der Preise der Produkte verwendet wird.
§ 7. Für alle Personen, die aus körperlichen Gründen (hohes Alter, Krankheit, körperliche oder geistige Arbeitsunfähigkeit, große Jugendlichkeit) nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, werden die bisherigen eventuell sogar erhöhten Zinserträgnisse aus vorhandenen Kapitalvermögen als Leibrente weiterbezahlt gegen Einlieferung der Wertpapiere.
§ 8. Im Interesse eines Abbaues der bestehenden Inflation mit Zahlungsmitteln wird eine allgemeine stark gestaffelte Vermögenseinziehung vorgenommen, die in Kriegsanleihestücken oder anderen Schuldtiteln des Reiches oder der Staaten geleistet werden. Diese Papiere werden eingestampft.
§ 9. Durch intensivste Volksaufklärung ist dem Volke klarzumachen, daß das Geld nichts anderes ist und sein darf, als eine Anweisung auf geleistete Arbeit; daß jede hochentwickelte Wirtschaft des Geldes als Austauschmittel zwar bedarf, aber, daß damit auch die Funktion des Geldes erfüllt ist und dem Geld auf keinem Fall durch den Zins eine überirdische Macht verliehen sein kann, aus sich selbst heraus zu wachsen zu Lasten der schaffenden Arbeit.
Warum haben wir dies alles, was so selbstverständlich ist, was man als das Ei des Kolumbus für die soziale Frage bezeichnen muß, bisher noch nicht erreicht?
Weil wir in unserer mammonistischen Verblendung klar zu sehen verlernt haben, daß die Lehre von der Heiligkeit des Zinses ein ungeheurer Selbstbetrug ist, daß das Evangelium von dem allein seligmachenden Leihzins unser ganzes Denken in die goldenen Netze der internationalen Plutokratie verstrickt hat. Weil wir vergessen haben und geflissentlich von den allgewaltigen Geldmächten darüber im Unklaren gehalten werden, daß mit Ausnahme von wenigen Geldgewaltigen der angeblich so schöne und von den Gedankenlosen so geliebte Zins rein von den Steuern aufgezehrt wird. Unsere ganze Steuergesetzgebung ist und bleibt, solange wir die Befreiung von der Zinsknechtschaft nicht haben, nur Tributpflicht gegenüber dem Großkapital, nicht aber, was wir uns manchmal einbilden, freiwilliges Opfer zur Verwirklichung von Gemeinschaftsarbeit.
Deshalb ist die Befreiung von der Zinsknechtschaft des Geldes die klare Losung für die Weltrevolution, für die Befreiung der schaffenden Arbeit von den Fesseln der überstaatlichen Geldmächte.
Wir stehen mitten in einer der schwersten Krisen, die unser armes Volk in seiner leidvollen Geschichte zu überstehen hat. Schwerkrank ist unser Volk, schwerkrank ist die ganze Welt. Hilflos stammeln die Völker; ein heißes Sehnen, ein Schrei nach Erlösung geht durch die dunklen Massen. Mit Lachen und Tanz, mit Kino und Umzügen sucht sich das Volk wie besinnungslos über sein eigenes jammervolles Schicksal hinwegzutäuschen. Hinwegzutäuschen über seine betrogenen Hoffnungen, hinwegzutäuschen über das tiefe innere Weh, ob der furchtbaren Enttäuschung über das was man als „Errungenschaften der Revolution“ so gern bezeichnen möchte. Die Errungenschaften der Revolution sind ausgeblieben.
Wie anders hat man sich doch das alles vorgestellt, wie anders lauteten doch all die schönen Versprechungen; gleißendes Gold schien alles zu sein, was man da nächtlicherweile in der Dunkelheit unseres militärischen Zusammenbruchs aufzulesen hoffte und nun, wo der graue Tag den Fund bescheint, sind es faule Holzstückchen. Ratlos stehen wir nun da; um dieser faulen Holzstückchen willen, die in der Nacht so schön geglänzt haben, haben wir alles weggeworfen, was uns bisher lieb und teuer war und haben uns alle Taschen vollgepfropft mit diesen jammervollen Fund. Kein Wunder, daß gerade die Ärmsten der Armen die Wut der Verzweiflung packt und sie in sinnlosem Zorn gegen ihre eigenen Brüder wüten, und alles zu zerstören versuchen, was sich ihnen bei ihrer tiefen Sehnsucht nach Erlösung in den Weg stellt. Zum hellen Wahnsinn muß dieser Zustand führen, wenn Gewissenlosigkeit und Dummheit das Volk noch mehr aufpeitscht und wohin dieser Wahnsinn führt, das sehen wir im bolschewistischen Rußland. Die Nationalisierung, wie in Rußland die Sozialisierung heißt, hat sich als ein Fehlschlag erwiesen, verkündet Lenin seelenruhig.
Die Wirtschaft ist zerstört, die Kaufkraft des Geldes gleich Null, die Intelligenz erschlagen, der Arbeiter brotlos. Verzweiflung im ganzen Volke; nur blutiger Terror gestützt auf chinesische und lettische Söldnerscharen vermögen die roten Diktatoren vor der Rache des enttäuschten Volkes zu schützen. Auch bei uns wird die Entwicklung diesen Weg nehmen, wenn wir weiterhin internationale Spekulanten, verbohrte Parteifanatiker, Vertreter der auf’s schwersten belasteten Burgeoisie und Angehörige eines [sic! einer] dem deutschen Volke im innersten wesensfremden Rasse in der Regierung belassen. Wie hießen doch all die schönen, schönen Worte, die man uns ins Ohr flüsterte: Verständigungsfriede, Völkerbund, Parlamentarismus, Souveränität des Volkes, Demokratie, Diktatur des Proletariats, Sozialismus, Vernichtung des Kapitalismus, Befreiung von dem Militarismus und wie alle die schönen Schlagworte heißen mögen. Ein neues freies Volk sollte erstehen, das selbst sein Geschick bestimmen soll. Nichts von alledem ist Wahrheit geworden, konnte nicht Wahrheit werden, kann nie Wahrheit werden, wenn wir nicht mit höchstem sittlichen Ernst all diesen Erscheinungen, all diesen Schlagworten nachgehen, wenn wir nicht wie ein kluger, gütiger Arzt die Krankheitserscheinungen gewissenhaft prüfen und sorgsamst den derzeitigen Zustand des Kranken aufdecken, keine Mühe scheuen, um festzustellen, woher diese schwere krisenhafte Krankheit kommt.
Mammonismus heißt die Krankheit unserer Zeit.
Was ist Mammonismus?
Mammonismus ist die unheimliche, unsichtbare, geheimnisvolle Herrschaft der großen internationalen Geldmächte. Mammonismus ist aber auch eine Geistesverfassung; es ist die Anbetung dieser Geldmächte seitens aller derjenigen die von dem mammonistischen Gifte infiziert sind. Der Mammonismus ist eine wirtschaftliche und moralische Erkrankung.Mammonismus ist die maßlose Übertreibung des an sich gesunden Erwerbstriebes des Menschen. Mammonismus ist die zum Wahnsinn gewordene Geldgier, die kein höheres Ziel kennt, als Geld auf Geld zu häufen, die mit einer Brutalität ohne gleichen alle Kräfte der Welt in seinen Dienst zu zwingen sucht und zur wirtschaftlichen Versklavung, zur Ausbeutung der Arbeitskraft aller Völker der Welt führen muß. Mammonismus ist der Geisteszustand, der zu einem Herabsinken aller sittlichen Begriffe geführt hat. Mammonismus ist als Weltphänomen betrachtet, gleichzusetzen mit dem brutalen rücksichtslosen Egoismus im Menschen. Mammonismus ist der Geist der Habgier, der schrankenlosen Herrschsucht, der nur auf Erraffung der Güter und Schätze der Welt gerichteten Sinnesart; er ist im tiefsten Grunde die Religion des rein auf das diesseitige gerichteten Menschentypus. Mammonismus ist das gerade Gegenteil von Sozialismus. Sozialismus, als höchste sittliche Idee aufgefaßt, als Idee dessen, daß der Mensch nicht nur für sich allein auf der Welt ist, daß jeder Mensch Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, gegenüber der ganzen Menschheit hat und nicht nur das, daß er nicht nur verantwortlich ist für das augenblickliche Wohl seiner Familie, seiner Stammesgenossen, seines Volkes, sondern, daß er auch unabwälzbare sittliche Verpflichtungen hat gegenüber der Zukunft seiner Kinder, seines Volkes.
Noch konkreter müssen wir den Mammonismus ansehen als das bewußte Zusammenspiel der machtgierigen Großkapitalisten aller Völker. Bemerkenswert ist dabei immer das verschleierte Auftreten des Mammonismus.
Die großen Geldgewaltigen stecken doch als letzte treibende Kraft hinter dem weltumspannenden anglo-amerikanischen Imperialismus; nichts anderes. Die großen Geldmächte haben doch das furchtbare Menschenmorden des Weltkrieges finanziert. Die großen Geldmächte haben doch als Besitzer aller großen Zeitungen die Welt eingesponnen in ein Netz von Lügen. Sie haben mit Vergnügen alle niederen Leidenschaften aufgepeitscht; vorhandene Strömungen sorgsam großgezüchtet; die französische Revancheidee durch geschickte Pressepropaganda zur Siedehitze gesteigert; die panslavistische Idee, den serbischen Großmachtsdünkel, das Geldbedürfnis dieser Staaten sorgsam genährt, woran sich der Weltbrand entzünden mußte. Auch bei uns in Deutschland hat der Geist des Mammonismus der nur mehr Ausfuhrziffern, Nationalreichtum, Expansion, Großbankprojekte, internationale Finanzierungen kennen wollte, zu einer Deroute der öffentlichen Moral geführt, zum Versinken unserer regierenden Kreise in Materialismus und Genußsucht, zu einer Verflachung unseres völkischen Lebens, alles Faktoren, die mitschuldig sind an dem furchtbaren Zusammenbruch.
Mit Staunen müssen wir uns fragen, woher der Mammonismus, woher das internationale Großkapital seine unwiderstehliche Macht nimmt.
Es ist gar nicht zu übersehen, daß die internationale Zusammenarbeit der großen Geldmächte eine ganz neue Erscheinung darstellt. Wir haben hierfür keine Parallele in der Geschichte. Internationale Verpflichtungen geldlicher Natur waren so gut wie unbekannt. Erst mit der aufkommenden Weltwirtschaft, mit dem allgemeinen Weltverkehr setzte sich der Gedanke der internationalen Zinswirtschaft durch und hier berühren wir die tiefste Wurzel, hier haben wir den innersten Kraftquell angeschlagen, aus dem die goldene Internationale ihre unwiderstehliche Kraft saugt.
Der Zins ist es, der mühe- und endlose Güterzufluß aus reinem Geldbesitz ohne Hinzutun jeglicher Arbeit hat die großen Geldmächte wachsen lassen. Der Zins ist die Kraftquelle des Großkapitals.Der Leihzins ist das teuflische Prinzip, aus dem die goldene Internationale geboren ist. All überall hat sich das Leihkapital festgesaugt. Wie mit Polypenarmen hat das Großleihkapital alle Staaten, alle Völker der Welt umstrickt.
Staatsschuldverschreibungen, Staatsanleihen, Eisenbahnanleihen, Kriegsanleihen, Hypotheken, Pfandbriefobligationen, kurzum Anleihetitel aller Art haben unser ganzes Wirtschaftsleben in einer Weise umstrickt, daß nunmehr die Völker der Welt hilflos in den goldenen Netzen zappeln. Dem Zinsprinzip zuliebe[,] einer im tiefsten Grunde irrigen staatlichen Vorstellung gemäß, daß jede Art von Besitz Anrecht auf Erträgnis habe, haben wir uns in die Zinsknechtschaft des Geldes begeben. Nicht ein einziger wirklicher stichhaltiger sittlicher Grund läßt sich dafür angeben, daß reiner Geldbesitz Anrecht auf dauerndes Zinserträgnis verschaffe.
Dieser innere Widerstand gegen Zins und Rente jeder Art ohne Hinzutritt schaffender Arbeit zieht sich durch das Seelenleben aller Völker und Zeiten. Der Zins ist unsittlich.Doch nie ist dieser tief innerste Widerstand gegen die Macht des Geldes den Völkern so bewußt geworden, wie in unserer Zeit. Nie hat der Mammonismus in so weltumspannender Weise sich angeschickt, die Weltherrschaft anzutreten. Noch nie hat er alle Niedertracht (das Trachten nach dem Niederen im Menschen), Machtgier, Rachgier, Habgier, Neid und Lüge in so schlau versteckter und doch brutal drängender Weise in seine Dienste gestellt wie jetzt. Der Weltkrieg ist im tiefsten Grunde eine der ganz großen Entscheidungen in dem Entwicklungsprozeß der Menschheit in dem Entscheidungskampf, ob in Zukunft die mammonistisch-materialistische Weltanschauung oder die sozialistisch-aristokratische Weltanschauung die Geschicke der Welt bestimmen soll.
Äußerlich hat vorerst zweifellos die mammonistische anglo-amerikanische Koalition gesiegt. Als Reaktion dagegen hat sich im Osten der Bolschewismus erhoben und wenn man im Bolschewismus eine große Idee erblicken will, so ist es zweifellos der einer mammonistischen Weltanschauung diametral entgegengesetzte Standpunkt. Bolschewismus ist ein falsches Mittel der antimammonistischen Reaktion.Die Methoden, die der Bolschewismus hierfür anzuwenden sucht, sind allerdings versuchte Eisenbartkuren. Sie sind der Versuch mit dem Seciermesser einem an innerer Vergiftung leidenden Kranken durch Amputativn [sic! Amputation] von Kopf, Arm und Beinen zu helfen.
Diesem Wüten des Bolschewismus, dieser sinnlosen Umwälzung müssen wir einen planvollen neuen Gedanken entgegensetzen, der mit einigender Kraft alle arbeitenden Klassen vereinigt, um den Giftstoff auszutreiben, der die Welt krank gemacht hat.
Dieses Mittel erblicke ich in der Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes.
Drei Momente sind es die den Zins des Leihkapitales als die eigentliche, als die wahre Ursache unseres finanziellen Elendes erscheinen läßt.
Erstens, das ungeheuere Mißverhältnis des festverzinslichen Leihkapitales, also des Kapitales, das ohne Hinzukommen schöpferischer Arbeit aus sich selbst heraus wächst und zwar ewig weiter wächst. Dieses Leihkapital hat bei uns in Deutschland bereits eine Höhe erreicht, die wir mit 250 Milliarden nicht zu hoch greifen. In Deutschland haben wir 250 Milliarden Leihkapital.Dieser ungeheueren Summe steht als industrielles Betriebskapital unserer gesamten deutschen Industrie nur eine Summe von 11,8 Milliarden gegenüber. Es kommen noch hinzu die 3,5 Milliarden Kapital der 16 000 industriellen G. m. b. H., so daß wir zusammen nur etwa 15 Milliarden industrielles Gesamtkapital zu verzeichnen haben. 20:1 ist die erste grundlegende Feststellung. – Diese Feststellung besagt, daß alle Maßnahmen, die sich mit Finanzproblemen größter Natur beschäftigen, in Ansehen des Leihkapitales sich 20 mal so wirksam erweisen müssen gegenüber Maßnahmen, die sich gegen das industrielle Großkapital richten.
Zweitens: die Verzinsung der obigen auf 250 Milliarden bezifferten Leihkapitalien beträgt im Großen und Ganzen betrachtet pro Jahr auf ewige Zeiten etwa 12½ Milliarden. Deutschland zahlt [j]ährlich 12,5 Mill. Leihzinsen.Die Gesamtsumme aller im Jahre 1916 ausgeschütteten Dividenden betrug im Jahre 1915 rund 1 Milliarde Mark. In den vorangegangenen Jahrzehnten war diese Zahl im Mittel rund 600 Millionen. Sie dürfte wohl in den beiden letzten Kriegsjahren noch erheblich in die Höhe gegangen sein, wird dagegen im laufenden Jahr einen umso größeren Absturz verzeichnen.
Die durchschnittliche Rentabilität aller deutschen A.-G. war 8,21%; also nur um etwa 31/2% höher als das durchschnittliche Erträgnis der festverzinslichen Anleihewerte.
Ich wiederhole also, rund 12,5 Milliarden wird in Zukunft das deutsche Volk für die diversen ewigen Zinsen des Großleihkapitales zu bezahlen haben, während das Erträgnis aus industriellem Kapital in dem Höchstkonjunkturjahr 1 Milliarde, in Zeiten ungestörter Konjunktur nur 0,6 Milliarden war, also auch hier sehen wir wieder ein Verhältnis der Größenordnungen von 20:1, bis 12:1.
Das dritte und gefährlichste Moment ist das ungeheuere jedes Begriffsvermögen übersteigende Wachstum des Großleihkapitales durch Zins und Zinseszins. Das Großleihkapital wächst lawinenartig ins Unendliche.Ich muß hier etwas weiter ausholen und hoffe durch einen kleinen Ausflug in die höhere Mathematik das Problem zu erklären. Zunächst einige Beispiele.
Die anmutige Geschichte von der Erfindung des Schachspieles ist bekannt. Der reiche indische König Sherham gewährte zum Dank für die Erfindung des königlichen Spieles dem Erfinder die Erfüllung einer Bitte. Die Bitte des Weisen war, der König möge ihm auf das erste Feld des Schachspieles ein Weizenkorn geben, auf das zweite zwei, auf das dritte vier und so immer auf das nachfolgende Feld die doppelte Anzahl wie auf dem vorangegangenen Feld. Der König lächelte über die vermeintlich bescheidene Bitte des Weisen und gab Auftrag, einen Sack Weizen zu bringen, um für jedes Feld die Weizenkörner zuzuteilen. Es ist bekannt, daß die Erfüllung dieser Bitte auch dem reichsten Fürsten der Welt unmöglich war. Alle Ernten der Welt in tausend Jahren würden nicht ausreichen, um die 64 Felder des Schachbrettes zu füllen.
Ein weiteres Beispiel: Manche werden sich noch aus der Schulzeit an die Qualen der Zinseszinsrechnungen erinnern; wie sich der Pfennig vermehrt, der zur Zeit von Christi Geburt auf Zinseszins angelegt ist, so daß er sich alle 15 Jahre verdoppelt. Im Jahre 15 nach Christi Geburt ist der Pfennig auf 2 Pfennige angewachsen, im Jahre 30 n. Chr. auf 4 Pfennige, im Jahre 45 n. Chr. auf 8 Pfennige usw. Die wenigsten werden sich erinnern, welchen Wert dieser Pfennig heute repräsentieren würde. Unsere ganze Erde massiv aus purem Gold, unsere Sonne, die 1 297 000 mal größer ist, als unser Erdball, all unsere Planeten, rotglühend von Gold, würden nicht genügen, um den Wert dieses auf Zinseszins angelegten Pfennigs auszudrücken.
Ein drittes Beispiel: Das Vermögen des Hauses Rotschild, der ältesten internationalen Plutokratie, wird heute auf etwa 40 Milliarden geschätzt. Bekannt ist, daß der alte Amschelm Mayer Rotschild in Frankfurt um das Jahr 1800 ohne nennenswertes eigenes Vermögen durch Wiederverleihung der Millionen, die ihm Landgraf Wilhelm I. von Hessen zur Aufbewahrung übergeben hatte, den Grundstock für das Riesenvermögen seines Hauses legte.
Wäre bei Rotschild das Anwachsen des Geldes durch Zins und Zinseszins nur in dem bescheidenen Tempo erfolgt, wie bei dem Pfennig, so wäre die Kurve nicht so steil verlaufen. Aber angenommen, die Vermögensmehrung des Rothschildschen Gesamtvermögens geht nur in dem Tempo des Pfennigs weiter, so würde das Rothschildsche Vermögen im Jahre 1935 80 Milliarden, 1950 160 Milliarden, 1965 320 Milliarden, und damit das gesamte deutsche Nationalvermögen schon weit übertreffen.
Aus diesen drei Beispielen läßt sich ein mathematisches Gesetz ableiten. Die Kurve, die der Aufstieg des Rothschildschen Vermögens ausdrückt, die Kurve, die sich aus der Zahl der Weizenkörner des Schachbrettes ableiten läßt, sowie die, die die Vermehrung des Pfennigs auf Zinseszins angibt, sind einfache mathematische Kurven. Alle diese Kurven haben den gleichen Charakter. Nach anfänglichem bescheidenen und langsamen Anstieg wird die Kurve immer steiler und steiler und nähert sich praktisch bald tangential der Unendlichkeit.
Ganz anders dagegen verläuft die Kurve der Industriekapitalien. Die Entwicklung des Industriekapitals bleibt im Endlichen.Auch meistens aus kleinen Anfängen hervorgewachsen, zeigt sich bald ein kräftiges Ansteigen der Kurven, bis eine gewisse Sättigung des Kapitales erreicht ist. Dann verlaufen die Kurven flacher, und werden sich in den einzelnen Industrien wohl im allgemeinen wieder etwas absenken, wenn neue Erfindungen zur Entwertung der bestehenden Fabrikanlagen, Maschinen usw. geführt haben. Nur ein Beispiel möchte ich hier herausgreifen, die Entwicklung des Kruppschen Werkes. 1826 starb der alte Krupp fast ohne Vermögen. 1855 erhielt Alfred Krupp seine erste Bestellung auf 36 Kanonen seitens der ägyptischen Regierung. 1873 beschäftigte Krupp bereits 12 000 Arbeiter. 1903 verkaufte Frau Berta Krupp die sämtlichen Werke und Anlagen um 160 Millionen an die Alfred Krupp A.-G. Heute beträgt das Aktienkapital 250 Millionen. Was schließt der Name Krupp für uns Deutsche ein? Den Höhepunkt unserer industriellen Entwicklung. Den ersten Kanonenbauer der Welt. Eine Unsumme zähester, zielbewußtester, intensivster Arbeitsleistung. Für Hunderttausende unserer Volksgenossen bedeutete das Kruppsche Unternehmen Brot und Arbeit. Für unser Volk Wehr und Waffen, und doch, er ist ein Zwerg gegenüber den Rothschildschen Milliarden. Was bedeutet das Anwachsen des Kruppschen Vermögens in einem Jahrhundert gegenüber dem Wachstum des Rothschildschen Vermögens aus Zins und Zinseszins durch mühe- und endlosen Wertzuwachs?
Nichts zeigt uns klarer den tiefen Wesensunterschied zwischen Leihkapital und Industriekapital. Nichts kann uns den Unterschied klarer machen zwischen den verheerenden Wirkungen des Leihzinses und den Betriebsgewinnen (Dividenden) der in großartigen Industrieunternehmungen angelegten riskierten Betriebskapitalien, als diese Gegenüberstellung.
Es kann nicht genug betont werden, daß die Erkenntnis der mathematischen Gesetze, denen Leihkapital und Industriekapital folgen, uns allein den klaren Weg zeigen, wo der Hebel einzusetzen ist für eine Umwälzung unserer zerrütteten Finanzwirtschaft. Wir erkennen klar, daß nicht die kapitalistische Wirtschaftsordnung, an sich nicht das Kapital als solches die Geißel der Menschheit ist. Das unersättliche Zinsbedürfnis des Groß-Leihkapitals ist der Fluch der gesamten arbeitenden Menschheit!
Kapital muß sein – Arbeit muß sein! Arbeit allein vermag wenig – Kapital allein soll nichts vermögen!
Kapital ohne Arbeit muß steril sein! Die Brechung der Zinsknechtschaft ist der mögliche und vernünftige Sinn einer Weltrevolution.Deshalb ist die wichtigste Forderung, die vornehmste Aufgabe der Revolution, der vernünftigste Sinn einer Weltrevolution, die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes.
Das Haus Rotschild wird heute auf 40 Milliarden geschätzt. Die Milliardäre der amerikanischen Hochfinanz, die Herren Cahn, Löb, Schiff, Speyer, Morgan, Vanderbilt, Astor werden zusammen auf mindestens 60–70 Milliarden geschätzt; Acht Milliardäre haben so viel Einkommen wie 38 Mill. Deutsche.bei einer nur 5prozentigen Verzinsung bedeutet dies ein Einkommen dieser 8 Familien von 5–6 Milliarden, das ist nahezu soviel, als nach den Untersuchungen von Helfferich im Jahre 1912 75% aller Steuerzahler in Preußen Jahreseinkommen hatten. (Es waren damals rund 21 000 000 Zensiten. 75% hiervon rund 15 000 000. Auf jeden Zensiten treffen im Durchschnitt 1,56 Angehörige, sohin 23 Millionen Angehörige.)
Rund 38 000 000 Deutsche haben also davon leben müssen, was die oben erwähnten Milliardäre im Jahr Einkommen haben. – Gewiß sind die amerikanischen Milliardäre nicht in dem Sinn reine Leihkapitalisten, wie das Haus Rotschild usw., ich will auch gar nicht darüber rechten, ob die amerikanischen Milliardäre „100-Millionen-Dollar-Milliardäre“ sind oder wirkliche „1000-Millionen-Mark-Milliardäre“; im ersteren Falle müßte man eben noch ein oder zwei Dutzend weitere Krösusse hinzurechnen. Oder nehmen wir gleich die Rathenauschen „300“, dann geht unsere Aufstellung sicher in Ordnung. Es kommt hier auch gar nicht darauf an, eine genaue Ziffer zu geben, aber die erkannte Größenordnung von 300 zu 38 000 000 öffnet uns die Augen über die Gewaltherrschaft des internationalen Leihkapitals.
Deshalb schütteln wir mit einem Ruck diese furchtbaren Fesseln ab, die alle werktätige Arbeit ersticken muß, entreißen wir dem Gelde die Macht, Zinsen zu gebären und immer wieder zu gebären, bis die gesamte Menschheit dem internationalen Leihkapital restlos zinspflichtig geworden ist.
Diese drei Punkte sind es also, die uns zum erstenmal klar machen, wo allein wirksam der Hebel anzusetzen ist für die Linderung unserer internen Finanznot. Zum andern erkennen wir, daß der Sturmlauf der gesamten sozialistischen Gedankenwelt gegen das industrielle Kapital vollkommen verfehlt ist, weil auch eine gedachte vollkommene Wegsteuerung oder Sozialisierung des gesamten Unternehmergewinnes – ungeschwächte Wirtschaft vorausgesetzt – einen lächerlich geringen Betrag ergeben würde, gemessen an den ungeheueren finanziellen Lasten unseres Reichs- und Staatsbudgets.
Durch die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes kann mit einem Schlage die ganze Finanzmisere beseitigt werden; mit einem Male fühlen wir wieder festen Boden unter den Füßen; mit einem Male muß es uns und wird es uns klar werden, daß wir uns mit dieser unglückseligen Anleihewirtschaft nur selber in geradezu grotesker Weise angelogen haben. –
Was ist denn Leihkapital anderes, als Schulden! Leihkapital sind Schulden! – das kann man gar nicht oft genug wiederholen. Die Kriegsanleih[e] war ein mammonistischer Schwindel.Was ist es für ein Wahnsinn, wenn das deutsche Volk in seiner Gesamtheit für seinen Krieg 150 Milliarden gepumpt hat; sich selbst hiefür eine Zinszahlung von 71/2 Milliarden versprochen hat und nun sich in die von vornherein selbstverständliche Verlegenheit versetzt fühlt, diese 71/2 Milliarden in Gestalt von geradezu phantastischen Steuern bei sich einzutreiben. Das tragische an diesem Selbstbetrug ist indes weniger die Dummheit dieser ganzen Kriegsanleihewirtschaft, auf die wir uns dem Ausland gegenüber immer so viel zu gute getan haben, als vielmehr die Tatsache, daß lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Großkapitalisten einen ungeheuren Nutzen daraus zieht und das gesamte arbeitende Volk einschließlich den mittleren und kleineren Kapitalisten, sowie einschließlich von Handel und Gewerbe und Industrie die Zinsen bezahlen müssen. Und hier tritt die politische Seite des ganzen Gedankens zu Tage. Hier können sie erkennen, daß tatsächlich das Großleihkapital und nur dieses der Fluch der gesamten arbeitenden Menschheit ist. Man mag das Ding drehen und wenden wie man will, immer muß die Masse aller werktätigen [sic! Werktätigen] für die Leihkapitalzinsen letzten Endes aufkommen. – Die mittleren und kleineren Kapitalisten haben nichts von ihren schönen Zinsen, können nichts davon haben, denn die Zinsbeträge müssen ihnen restlos weggesteuert werden. Ob in der Form direkter Steuern oder indirekt im Wege der indirekten Steuern, Stempeln, Abgaben oder sonstigen Verkehrsbelastungen, immer ist das werktätige Volk der Geleimte und der Nutznießer das Großkapital.
Es ist nun ganz erstaunlich zu sehen, wie die sozialistische Gedankenwelt von Marx und Engels vom kommunistischen Manifest angefangen bis herauf zum Erfurter Programm (besonders Kautzky) und auch die heutigen sozialistischen Machthaber vor den Interessen des Leihkapitales wie auf Kommando Halt machen. Die Heiligkeit des Zinses ist der Aberglaube des Mammonismus.Die Heiligkeit des Zinses ist das Tabu; der Zins ist das Allerheiligste; an ihm zu rütteln hat noch niemand gewagt; während Besitz, Adel, Sicherheit von Person und Eigentum, die Rechte der Krone, Reservate und religiöse Überzeugung, Offiziersehre, Vaterland und Freiheit mehr oder weniger vogelfrei sind, ist der Zins heilig und unantastbar. Vermögenskonfiskation, Sozialisierungen sind an der Tagesordnung, also ganz glatte Rechtsbrüche, die nur damit etwas beschönigt werden, weil sie angeblich im Namen der Gesamtheit an Einzelnen begangen werden; das alles ist erlaubt, aber der Zins, der Zins ist das „noli me tangere”, das „Rührmichnichtan”. Die Verzinsung der Reichsschuld ist das A und O der staatlichen Budgets. Sein Riesengewicht zieht das Staatsschiff in den Abgrund und doch – es ist ja alles Schwindel – ein ungeheuerer Selbstbetrug, ausgehegt einzig und allein zu Gunsten der großen Geldmächte.
Ich möchte gleich hier die später zu behandelnden Einwendungen bezüglich der kleinen Rentner kurz streifen, damit man gedanklich daran nicht hängen bleibt. Diese kommen bei der Betrachtung der ganz großen Fragen nicht in Betracht und es ist ganz selbstverständlich, daß für diese Entschädigungen vorzusehen sein werden durch weitesten Ausbau der sozialen Fürsorge.
Schwindel sagte ich, Zinsenschwindel! ein hartes Wort. Aber wenn dieses Wort, das ja während des Krieges im Felde und in der Heimat wohl das meistgebrauchte war, Berechtigung hat, so hat es diese Berechtigung am meisten für den Zinsenschwindel.
Wie war es doch mit den Kriegsanleihen? Das Reich holte aus den Taschen des Volkes mit den ersten 5 Milliarden die wirklich vorhandenen Spargelder. Das Geld floß wieder zurück. Dann kam die neue Anleihe und saugte das Geld wieder an und dazu noch die letzten Reste der Spargelder. Und wieder kam die Pumpe und saugte die Milliarden an und wieder ebbten sie zurück, bis glücklich, nachdem dies schöne Spiel neunmal wiederholt war, – das Reich 100 Milliarden Schulden gemacht hatte.
Dafür hatte das Volk allerdings 100 Milliarden schön bedrucktes Papier in Händen. – Zuerst bildeten wir uns ein, wir seien so viel reicher geworden, nun kommt der Staat und sagt, ich stehe vor dem Bankerott.
Ja, warum denn? – Ich selbst kann doch nicht bankerott werden, wenn ich auch noch so oft meinen Hundert Mark-Schein von der rechten Hosentasche in die linke stecke. Es wäre doch die allergrößte Torheit, wenn wir die Torheit unserer Kriegsanleihewirtschaft noch dadurch manifestieren würden, daß wir uns bankerott erklären.
Brechen wir die Zinsknechtschaft des Geldes! Erklären wir die Stücke der Kriegsanleihen unter Aufhebung der Zinsen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln und wie Märzenschnee vor der Sonne wird der Alpdruck des Staatsbankerotts von uns weichen.
Man hat mir gesagt, die Aufhebung der Zinszahlung sei ein verschleierter Staatsbankerott. Nein, das ist nicht wahr! – Die Aufhebung der Zinszahlung ist kein verschleierter Staatsbankerott.Das Gespenst des Staatsbankerotts ist tatsächlich nur ein Kinder- und Ammenschreck, erfunden von den mammonistischen Gewalten.
Das Buch von Fr. Röhr „Was jeder vom Staatsbankerott wissen muß“ – ist vollkommen in mammonistischen Gedankengängen befangen und obwohl der Verfasser im allgemeinen durchaus klar die wirtschaftlichen Schädigungen erkennt, die uns durch die Sozialisierung drohen, so sehr und richtig er darauf hinweist, daß letzten Endes uns nur eine Wiederaufbauung unserer Wirtschaft retten kann, – von dem Aberglauben, von der Heiligkeit des Zinses kann er sich nicht losmachen und malt daher den Staatsbankerott ganz im Interesse des Mammonismus, als eine ganz schreckliche Katastrophe an die Wand.
Es ist interessant zu verfolgen, daß sich Röhr trotz besserer geschichtlichen Erkenntnis nicht davon losmachen kann und in seinem Schlußwort bemerkt: „Ist die vernichtende wirtschaftliche Katastrophe nicht zu vermeiden, so wird keiner von ihr verschont“, während er auf Seite 81 zugesteht, daß die Folgen staatsfinanzieller Mißwirtschaften teilweise sehr schnell wieder ausgeglichen worden sind, daß Seite 68 – möge es sein, wie es wolle, jedenfalls stehe fest, daß Rußland (im letzten Jahrhundert) diese Währungskrisen ohne dauernde Störungen überwunden hat.
Seite 76 sagt er bei Untersuchen der Wirkungen der Staatsbankerotte: daß zwar im Großen und Ganzen tiefgehende wirtschaftliche Störungen etc. eingetreten seien, daß aber weder die Vernichtung des Staates, noch die seiner wirtschaftlichen Kräfte dadurch herbeigeführt wurde. Im Gegenteil habe sich häufig genug eine baldige Wiederbelebung der Volkswirtschaft und eine Gesundung der Staatsfinanzen beobachten lassen. – Der Staatsbankerott ist die Rettung der nationalen Wirtschaft.Wenn der Verfasser dann drei Zeilen weiter unten fortfährt, der Staatsbankerott bedeute unbedingt eine wirtschaftliche Katastrophe und führe ein grenzenloses Elend herauf, so bedauere ich bei dieser Logik nicht mitkommen zu können.
Doch zurück zu unserem Spezialfall! Was ist wohl ehrlicher? pharisäerhaft von der Unantastbarkeit der Kriegsanleihen zu sprechen und das Volk gleichzeitig mit einer unerhörten Steuerlast zu bedrücken? oder, wenn ein Finanzminister den Mut hätte, offen vor das Volk hinzutreten und zu erklären, ich kann die Zinsen für die Kriegsanleihen nicht bezahlen, oder nur dann, wenn ich genau ebensoviel Steuern von Euch eintreibe.
…. Ich habe aber damals während des Krieges unbedingt Geld haben müssen, was Gescheiteres (siehe England) ist mir nicht eingefallen und so habe ich den Schwindel mit den hochverzinslichen Kriegsanleihen gemacht. Verzeih’ halt liebes Volk, es war ja schließlich für Dich, aber wollen wir kein Verstecken mehr spielen, – ich, der Staat bezahlt keine Zinsen mehr und du Steuerzahler brauchst für die Bezahlung dieser Zinsen keine Steuern zu zahlen. – Das vereinfacht wesentlich unsere Geschäfte, wir ersparen den ungeheueren Steuerapparat und ebenso den ungeheueren Zinsendienstapparat, also eine Unmasse Geld und Arbeitskraft.
Ich habe mich lang bei der Aufdeckung dieses Schwindels aufgehalten, aber ich halte es für absolut grundlegend hier den Blick für das große Ganze keinen Augenblick zu verlieren.
Der Personenkreis, die die Leidtragenden wären, also wollen wir sagen, diejenigen (Erwerbseinkommenn von 1 500 Mk.) die über 30 000 Mk. Kapitalrente nach ihren Steuererklärungen bezogen haben, sind nach den bayerischen Steuererklärungen 822 Personen, das sind nur 0,4% der Steuerpflichtigen. In ganz Deutschland also beiläufig 10 000. (Die oberen 10 000!) (Bayr. St.-Z. 1913.)
Wir wollen uns nun in aller Kürze über die wichtigsten Seiten dieser revolutionären Forderung klar werden, und zwar wollen wir die Fragen zunächst von unserem nationalen Gesichtspunkt aus betrachten.
Zunächst bedarf es hierzu eines klaren Blickes auf unsere derzeitige Lage. Staatssekretär Schiffer hat sie in seiner großen Rede in der Berliner Handelskammer für „unübersehbar” erklärt. Das ist nur bedingt richtig. Übersehbar ist die ungeheure Verschuldung unserer Volkswirtschaft, die unerhörte Entwertung unserer Zahlungsmittel, kurzum die Tatsache, daß wir über Nacht ein armes Volk geworden sind.Wir sind ein armes Volk geworden.
Die Belastungen, die uns durch den Friedensschluß auferlegt werden, lassen sich allerdings nicht übersehen. Die bereits vorhandenen Schuldverschreibungen beziffern sich, wie wir gesehen haben, auf rund 250 Milliarden. Wir wollen einmal annehmen, daß uns die Entente weitere 50 Milliarden an Kriegsentschädigung in irgendeiner Form auferlegt, so sind das zusammen rund 300 Milliarden Schulden.
So schwer es sich in den engen Rahmen dieser Abhandlung pressen läßt, müssen doch einige Worte über die Größe des deutschen Nationalvermögens an dieser Stelle gesagt werden. Die Untersuchung von Helfferich und Steinmann-Bucher beziffern das deutsche Nationalvermögen auf rund 350 Milliarden. Man kann derartigen Feststellungen, so vorsichtig sie aufgebaut sein mögen, nur sehr bedingten Wert beimessen. Sie gelten überhaupt nur für Zeiten ungestörter Wirtschaft. Sie sind aber auch da schon irreführend, indem die staatlichen und gemeindlichen Besitzungen mit aufgenommen sind, also zum Beispiel auch Straßenbauten, Flußkorrektionen usw. Es leuchtet ein, daß zwar die Herstellung derartiger Arbeiten ungeheures Geld gekostet hat, daß sie aber doch eigentlich keinen Eigenwert haben. Ein besserer Maßstab für die Höhe des Nationalvermögens ist das sogenannte steuerbare Vermögen, wie es sich aus den Steuererklärungen zum Wehrbeitrag oder die Kriegsvermögenssteuer ergibt. Hierfür ergab sich eine Gesamtsumme von 192 Milliarden, also ganz erheblich viel weniger, als nach den Aufstellungen Helfferichs. Es mag zu dieser Summe noch ein Zuschlag gemacht werden von etwa erfahrungsgemäß 10% für die gesetzlich steuerfreien kleinen Vermögen und etwa ein gleich großer Zuschlag für „stille Reserven”.
Jedenfalls erscheint es mir utopisch, von einem Nationalvermögen zu sprechen von über 250 Milliarden. Aber auch diese Ziffer hat nur ganz bedingten Wert. Das Richtigste wäre, mit der Vorstellung eines ziffernmäßig faßbaren Nationalvermögens überhaupt zu brechen und zu der Erkenntnis durchzudringen, daß das Nationalvermögen ausschließlich seinen Ausdruck findet in der geistigen und körperlichen Arbeitskraft der ganzen Nation, also Größenordnungen angehört, die mit dem engeren Kapitalbegriff gar nichts zu tun haben. Zwar müssen wir noch eine weitere Quelle des Nationalvermögens in dem Vorhandensein von Bodenschätzen, Waldreichtum und fruchtbarer Erde erblicken, aber auch diese Dinge lassen sich nicht ziffernmäßig fassen, da sie zwischen Null und Unendlich schwanken, je nachdem die Bodenschätze brachliegen oder auf Grund geologischer Gutachten nach Milliarden von Tonnen Kohlen usw. berechnet werden.
Wir wollen nicht vergessen, daß Deutschland eigentlich ein armes Land ist. Monopole besitzt es fast gar keine. Im Reichtum an Bodenschätzen steht es weit hinter den meisten Nachbarländern zurück, ganz zu schweigen von den unerhörten Bodenschätzen des chinesischen, indischen und amerikanischen Reiches. An Fruchtbarkeit des Erdbodens steht es weit zurück gegenüber den gesegneten Gefilden der russischen schwarzen Erde, gegenüber den mühelos produzierenden tropischen und subtropischen Landstrecken. So bleibt uns letzten Endes immer nur die Arbeitskraft und der Arbeitswille unseres Volkes sowie das Vorhandensein von genügender Arbeit und wir müssen uns darüber klar sein, daß bei dieser Sachlage von fundierten Anleihen, von einer dinglichen Sicherheit für unsere Schuldverschreibungen keine Rede sein kann.
Ob verzinsliche Kriegsanleihe oder unverzinsliche Reichsbanknote, es steht einzig und allein hinter ihnen die Steuerkraft des ganzen Volkes, und was ist die Steuerkraft anderes als eine Funktion der Arbeitsleistung der gesamten werktätigen Bevölkerung.
Wir müssen uns nun noch über einen weiteren hier angeschnittenen Fragenkomplex kurz klar werden, und zwar über die Hauptposten unserer staatlichen Einnahmequellen und Ausgaben. Es ist ein merkwürdiger Gegensatz zwischen dem breiten Raum, den die Geldbeschaffungsfrage in unserem Privatleben einnimmt und dem Interesse, das wir den großen Fragen unserer staatlichen Finanzgebarung entgegenbringen, und doch besteht durchaus kein wesentlicher Unterschied zwischen der Einzelwirtschaft und der Volkswirtschaft.
Die Hauptposten der Staatseinkünfte sind: erstens die Reinerträgnisse der Posten und Eisenbahnen, zweitens die aus Bergwerken, Forstverwaltungen und sonstigen Staatsbetrieben, drittens die Zölle und indirekten Steuern, und viertens die direkten Steuern.
Wie sieht es in Bayern aus?Ich will, um bei derart eminent praktischen Fragen nicht nur theoretische Erörterungen zu pflegen, an Hand des bayerischen Staatshaushaltes des Jahres 1911 die einzelnen Posten nach ihrer Größenordnung kurz erläutern. – Post, Telegraph und Eisenbahnen brachten 120 Millionen, Forsten, Bergwerke usw. rund 40 Millionen, die indirekten Steuern 53 Millionen, die direkten Steuern 60 Millionen. Weitere 67 Millionen flossen aus Stempelabgaben, Gebühren, Erbschaftssteuern, Grundgefällen, Uberweisungen [sic! Überweisungen] seitens des Reiches usw.
Wie steht es nun mit den Ausgaben. Wir finden hier an erster Stelle die Aufwendungen für die Verzinsung der Staatsschuld einschließlich der Eisenbahnanleihen mit 85 Millionen. Für das Königliche Haus 5 Millionen, Justizverwaltung 27 Millionen, innere Verwaltung 40 Millionen, Kirchen und Schulen 51 Millionen, Finanzverwaltung 13 Millionen, Ausgaben für Reichszwecke 50 Millionen, Pensionen 36 Millionen. Diverse Ausgaben 5 Millionen. Ein Einnahmeüberschuß von 27 Millionen glich damals in diesem glücklichen Jahr der bayerischen Finanzen das Jahresbudget ab.
Es interessieren uns im Rahmen unseres Gedankens indes nur die Ausgaben, die durch Brechung der Zinsknechtschaft entfallen können. Hier steht naturgemäß an erster Linie die Aufwendung für Verzinsung der Staatsschuld mit 85 Millionen, dazu der größte Teil unserer Aufwendung für die Finanzverwaltung mit etwa 10 Millionen, ferner ein großer Teil der Aufwendungen für Reichszwecke, von denen wir die Hälfte mit 25 Millionen ansetzen wollen, und schließlich entfallen heute die Aufwendungen für das Königliche Haus mit 5 Millionen, zusammen 125 Millionen.
Der Ausfall dieser Posten bedeutet die Möglichkeit des Verzichtes auf die Erhebung aller direkten und indirekten Steuern, die, wie wir sahen, 53 und 60, zusammen 113 Millionen einbrachten! Schon vor dem Kriege hätte man bei geordneten Finanzen auf alle direkten und indirekten Steuern verzichten können.Wir sind nun durchaus nicht der Meinung, daß man die direkten und indirekten Steuern ganz abschaffen solle, in vernünftigen Grenzen wirken sie zweifellos einerseits erziehlich, andererseits regulierend. Es ist sicher nicht mehr wie recht und billig, daß das Einkommen aus fundiertem Besitz einer mäßigen, gestaffelten Steuer unterworfen bleibt, der Staat muß ja auch mit seinen Machtmitteln für ungestörten Besitz sorgen; es erscheint ebenso angezeigt, daß Handel und Industrie aus ihren Betriebsgewinnen zu entsprechenden Steuerleistungen herangezogen werden, für sie hat auch der Staat für die Erhaltung und Ausbau der öffentlichen Verkehrswege zu sorgen; eine entsprechende Mindestkopfsteuer für jeden wahlberechtigten Bürger ist ebenfalls eine Forderung der Gerechtigkeit, vom Staate wird auch die Obhut für Sicherheit der Person und des Eigentums verlangt.
Auf dem Gebiete der indirekten Steuern könnte ein kräftiger Ausbau aller reinen Luxussteuern im besten Sinne regulierend wirken, während alle reinen Volks-Nahrungsmittel und -Bedürfnisse von Steuern frei zu halten wären!
Das Ergebnis einer solchen Steuerpolitik wäre weniger in dem hohen finanziellen Ergebnis zu suchen — davon kann keine Rede sein, da sie für die große Masse der Bevölkerung nicht eine wirkliche steuerliche Belastung, sondern nur eine Erinnerung sein soll, daß der Mensch nicht nur Einzelwesen, sondern auch Staatsbürger ist und außer staatsbürgerlichen Rechten auch staatsbürgerliche Pflichten hat. Die Erträgnisse sollen weniger zur Entlastung der werbenden Staatsbetriebe verwendet werden, deren Reinerträgnisse, wie wir gesehen haben, genügen um die ordentlichen Aufwendungen des Staates für Erziehung, Bildung, Rechtspflege, innere Verwaltung usw. zu bestreiten. Sie sollten dafür verwendet werden, besondere Kulturaufgaben des Staates zu fördern, für die im Rahmen des ordentlichen Staatshaushaltes niemals entsprechende Mittel zur Verfügung standen. Ich denke hier in erster Linie an Säuglingsheime, Blinden- und Krüppelanstalten, Kinderhorte, Mutterschutz, Kampf gegen Tuberkulose, gegen Alkohol und Geschlechtskrankheiten, für Anlage von Gartenstädten und Siedelungen, insbesondere für die Unterbringung und menschenwürdige Versorgung unserer Kriegsbeschädigten.
Unser Blick weitet sich. Wir sehen Neuland. Abschaffung aller Steuern könnte die Brechung der Zinsknechtschaft bedeuten? Sie würde es bedeuten, wenn wir als siegreiches Volk aus diesem Riesenkampf hervorgegangen wären. So wollen wir nicht zu früh frohlocken, dafür werden die uns von unseren Feinden auferlegten Lasten sorgen. — Aber jedenfalls wir sehen Neuland auf Grund der soeben angestellten, doch höchst einfachen Betrachtung unseres bayerischen Staatshaushaltes.
In den Grundzügen finden wir ganz ähnliche Verhältnisse in den übrigen deutschen Bundesstaaten, und es ist nicht zu viel gesagt, daß aus den Überschüssen der werbenden Staatsbetriebe, also den Eisenbahnen, Posten, Telegraphen, Forsten, Bergwerken usw. alle staatlichen Aufwendungen für die gesamte Rechtspflege, für die gesamte innere Verwaltung, einschließlich der Staatsbauten, alle Ausgaben für Erziehung und Bildung, sowie für Kultuszwecke, ohne Schwierigkeit bestritten werden könnte. Also ein geradezu idealer Zustand.
Warum ist das nicht so? Der Zins hat sich eingeschlichen. Wegen der Zinszahlung werden der Bevölkerung die Lebensmittel verteuert; Der Zins verteuert alles.wegen der Zinsen wird Zucker und Salz, Bier und Wein, Zündhölzer und Tabake und zahllose andere Bedürfnisse des täglichen Bedarfes mit indirekten Steuern belegt. Wegen der Zinsen müssen direkte Steuern erhoben werden, die sich scheiden in Grundsteuern, die auf verteuertes Getreide abgewälzt werden; in Haussteuern, die die Miete in die Höhe treiben; in Gewerbesteuern, die die schaffende Arbeit belasten; in Einkommensteuern, die unabwälzbar die Lebenshaltung der Beamten und Festbesoldeten herunterdrücken, und endlich ganz am Schluß, bescheiden im Geben, unersättlich im Nehmen kommt das Leihkapital mit den Kapitalrentensteuern. Aus 253 Millionen eingenommenen fatierten Kapitalrenten in Bayern auf Grund der Steuererklärungen des Jahres 1911 wurden ganze 8,1 Millionen an Staatssteuern bezahlt.
Wir haben gesehen, daß jede Kapitalrente, jeder Kapitalzins letzten Endes ausschließlich durch die Arbeit des ganzen Volkes aufgebracht werden muß. Wir haben gesehen, daß die Zinsenzahlung für die Staatsschulden den größten Posten in unserm Staatsbudget ausmachen, und wir haben gesehen, daß die Kapitalrenten-Steuerpflichtigen nur einen höchst bescheidenen Beitrag zu den Staatseinnahmen beisteuern.
Nach der Größenordnung zahlt der Kapitalist von den direkten Staatssteuern in Bayern 1911 mit 8 Millionen von 60 Millionen Gesamtsumme der direkten Steuern nur ein Achtel bis ein Sechstel. Die direkten Steuern sind nach der Größenordnung ungefähr ein Fünftel der gesamten Staatseinnahmen. Somit leistet das Leihkapital nur etwa ein Dreißigstel bis ein Achtundvierzigstel Zuschuß im Hinblick auf die gesamten staatlichen Bedürfnisse.
Es soll nicht geleugnet werden, daß die Steuergesetzgebung in den letzten Jahren besonders während des Krieges, an eine stärkere Heranziehung der Kapitalrenten gegangen ist, aber die stärkere indirekte Besteuerung hat damit so ziemlich gleichen Schritt gehalten, so daß sich das Größenverhältnis kaum verschoben hat.
Grauenhaft wird das Bild erst, wenn wir unseren Reichshaushalt betrachten. Hier liegen die Verhältnisse an sich schon viel ungünstiger. Der Reichshaushalt wird durch die Zinsen erdrückt.Das Reich hat nicht die Steuerquellen wie die einzelnen Bundesstaaten. Die direkten Steuern sind den Bundesstaaten vorbehalten, die werbenden Betriebe des Reiches beschränken sich auf die Reichspost und die Reichseisenbahn (also: NB! ohne die preußischen Staatseisenbahnen) und somit bleiben nur die Zölle und indirekten Steuern.
Die Größenordnungen dieser Reichseinnahmequellen (siehe Stat. Jahrbuch für das Deutsche Reich vom Jahre 1917 und 1918) waren im Jahre 1915 1 Milliarde Reichspost und Eisenbahn, 0,7 Milliarden Zölle, 1 Milliarde indirekte Steuern, 0,8 Milliarden besondere Einnahmen (Wehrbeitrag, Matrikularbeiträge) u. s. w. Auch hier wieder dasselbe Bild. Mehr als ein Drittel, nämlich 1,3 Milliarden verschlang schon im Jahre 1915 die Verzinsung der Reichsschuld. Auch hier hat sich wieder das Leihkapital hineingedrängt. Auch hier zieht es zu seiner Befriedigung alle indirekten Steuern heran. Zucker zahlt 163 Millionen, Salz 61 Millionen, Bier 128 Millionen, Tabak, Branntwein, Schaumwein, Leuchtmittel, Zündwaren, Spielkarten und zahllose andere Steuermittelchen mußten herhalten, um eine Milliarde zusammenzukratzen, die dann restlos in die Taschen der Kapitalisten fließt.
Heute ist die Aufbringung nur der Schuldzinsen des Reiches ein Rätsel. 8 Milliarden allein verschlingen ja doch die Verzinsungen unserer 100 Milliarden Kriegsanleihe, sowie der übrigen Kriegskredite. Die Einnahmen aus Post und Eisenbahn können kaum mehr erhöht werden. Zölle werden wir kaum mehr erheben dürfen, so bleibt wohl nur eine Verfünffachung oder Verzehnfachung der indirekten Steuern übrig; eine Unmöglichkeit! oder die klare Einsicht, daß einzig und allein die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes uns Rettung bringen kann. Ein ungeheuerer Selbstbetrug war die ganze Kriegsanleihewirtschaft. Hundert Milliarden hat das deutsche Volk von sich für seinen Krieg geborgt. 5 Milliarden Zinsen hat es sich dafür versprochen; 5 Milliarden Steuern muß es also bezahlen. Nutzen hat nur der Großkapitalist, der so viel Kapitalrenten bezieht, daß er sie unmöglich aufbrauchen kann und durch die Kapitalrentensteuer wird ihm ja nur ein ganz bescheidener Prozentsatz abgenommen, wie wir gesehen haben.
Ich hoffe schon jetzt durch die großen Linien meiner Beweisführung das menschlich begreifliche Erschrecken vieler Leser verscheucht zu haben ob des eventuellen Entgangs ihrer Zinsbezüge aus ihren schönen Wertpapieren.Kleinlicher Egoismus darf das große Ziel nicht verschleiern. Nur ganz kurz möge an einem Beispiel gezeigt werden, daß die ganze Zinsenwirtschaft große Selbsttäuschung ist, und zwar will ich dabei an eine oberste Grenze gehen von gut bürgerlichen Einkommensverhältnissen.
Gesetzt den Fall, das Arbeitseinkommen eines Familienoberhauptes sei 10 000 Mark, dazu noch 500 Mark aus Kapitalsrenten, so sind hieraus zunächst ungefähr 1500 direkte Steuern zu bezahlen, ferner in Gestalt der teueren Mieten werden mindestens 1000—1200 Mark für den ewigen Mietzins abzuziehen sein; — weitere 1000 Mark dürften durch die indirekten Steuern der fünf- bis sechsköpfigen Familie aufgezehrt werden, und schon jetzt erkennt man, daß bereits unter den glücklichen Steuerverhältnissen aus früheren Jahren von den schönen Kapitalrenten des kleineren und mittleren Kapitalisten gar nicht viel übrigbleibt. Heute kann von „Übrigbleiben“ schon gar keine Rede mehr sein; im Gegenteil erhebliche Teile des Arbeitseinkommens werden wohl, wenn man heute die phantastischen derzeitigen Steuerpläne sich ansieht, auch noch weggesteuert werden.
Ganz anders sieht sich natürlich die Sache an für den Großkapitalisten, der, sagen wir einmal, nur 1 Million Kapitalrenten bezieht. Nutzen hat nur der Großkapitalist.(Solche Leute gibt es in Deutschland heute ziemlich viele.) An Kapitalrentensteuer zahlt dieser Glückliche, wenn es hoch kommt, 50—60 000 Mark. An indirekten Steuern zahlt er auch nicht mehr als der Familienvater des vorigen Beispieles. Für seinen Haushalt kann er schließlich auch bei der heutigen teueren Zeit mit 40—50 000 Mark doch noch ganz angenehm leben. Bleiben ihm bare runde nette 900 000 Mark, für die er im nächsten Jahre bei 5% Zins neue 45 000 Mark Leihzinsen beziehen wird und das von Rechts wegen zu Lasten der werktätigen Bevölkerung.
Der kleine Rentner, der nur von seinen Zinsen lebt, wäre zweifellos geschädigt. Der kleine Rentner wird schadlos gehalten.Ist er arbeitsfähig, so müßte er sich natürlich entschließen, sich ein Arbeitseinkommen zu verschaffen. Damit stellt er sich dann immer noch sehr viel besser, als die Millionen seiner Volksgenossen, die nichts haben, außer ihrer körperlichen oder geistigen Arbeitskraft. Will er das nicht, so muß er sein Vermögen einzehren. 20 Jahre lang hat er ja schließlich immer noch daran zu zehren, wenn er wie bisher 5% an Zinsen von nun ab als Einzehrung verbraucht. Für Personen, die nicht in der Lage sind, zu arbeiten, oder durch Krankheit und Alter geschwächt sind, muß selbstverständlich durch Ausbau der sozialen Fürsorge für alle Bevölkerungskreise für eine entsprechende Existenz gesorgt werden.
Ich stelle mir die soziale Fürsorge wie folgt vor:
Nehmen wir an, eine ältere Dame, eine Witwe, die bisher von den Zinsen eines Kapitalvermögens von 60 000 Mark leben mußte, wird durch die gesetzlich ausgesprochene Brechung der Zinsknechtschaft um ihre Einnahmequelle gebracht. Hier wäre durch weitesten Ausbau des Leibrentenwesens der betreffenden Person Gelegenheit gegeben, eine ihrem Kapital entsprechende Leibrente zu beziehen, wobei die jährliche Rente sogar gegenüber dem bisherigen Zinserträgnis erhöht werden könnte, um auch diesem Personenkreis einen gewissen Ausgleich für den gesunkenen Geldwert zu geben. Also so daß z. B. gegen die eingelieferten 60 000 Mark in Schuldtiteln des Reichs, der Staaten oder in Pfandbriefen eine jährliche lebenslängliche Rente von 4000 Mark gegeben werden könnte. Hat die Witwe Kinder und will sie diesen einen Teil des Vermögens vererben, so kann ihr freigestellt werden, nur 40 000 Mark in eine Leibrente umzuwandeln, während die restlichen 20 000 Mark für die Kinder erhalten bleiben. Aus den 40 000 Mark könnten ja nach dem Alter der Leibrente Nachsuchenden bis zu 1/12 des eingelieferten Kapitals gegeben werden. Auch hier sei wiederum darauf verwiesen, daß durch die Brechung der Zinsknechtschaft die Lebenshaltung der Witwe durch den Fortfall der drückenden Steuern ganz erheblich verbilligt wird.
Es würde weit über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausgehen, im einzelnen den persönlichen Interessen einzelner Schichten der Bevölkerung nachzugehen. Es kann sich bei einer so umwälzenden Forderung auch gar nicht um persönliche Interessen handeln und trotzdem wird man bei den Auswirkungen des Gedankens die Erfahrung machen, daß die heilsamen Folgen schließlich wieder jedem einzelnen persönlich zugute kommen werden.
Gerade an dem schon oben angeschnittenen Problem der Zinslosmachung der Kriegsanleihen habe ich schon klar zu machen versucht, daß der kleine Kapitalist, also alle die Hunderttausende, die durch eine mehr als amerikanische Werbetätigkeit für die Zeichnung der Kriegsanleihen zur Hingabe ihrer Ersparnisse veranlaßt worden sind, von den Zinsen nicht nur nichts haben, weil sie ja selbst dafür die Steuern zahlen müssen, sondern bei der auf Schonung des Großkapitales zugeschnittenen Steuergesetzgebung für die Zinsen der Millionenzeichnungen mitzahlen müssen. Ich denke mir, daß abgesehen von diesen höchst realen Betrachtungen allein schon ein Apell an alle um das Wohl ihrer Kinder besorgten Anleihebesitzer genügen müßte, um den Verzicht auf ewigen Zins aus den Schuldverschreibungen des Reiches als ganz natürlich hinzunehmen. Der Zins belastet unsere Kinder.Was verliert denn eigentlich der Patriot, der seinem Vaterland in höchster Not 10 000 Mark gegeben hat, in diesem Falle anderes, als nur ein wucherisches Anrecht darauf, 50 000 Mark allein an Zinsen innerhalb hundert Jahren zu beziehen, ohne daß dadurch sich das Kapital auch nur im geringsten abgenützt hätte? Ewig müssen seine Kinder und Enkel dafür arbeiten, daß nur zu allererst diese Zinsen bezahlt werden können.
Die Frage der Rückzahlung der geliehenen Summen kann in verschiedener Weise gelöst werden. In meinen kurzen Leitgedanken zu vorliegendem Problem, die ich der Regierung des Volksstaates Bayern am 20. November vor. Js. eingereicht habe, habe ich den Vorschlag gemacht, einfach an Stelle der Zinszahlung die Rückzahlung treten zu lassen in 20 Jahres-Raten von 5%. Ich glaube im folgenden noch einen weit besseren Vorschlag machen zu können, der ob seiner Einfachheit sicherlich den Vorzug verdient: „Die Kriegsanleihestücke werden unter Aufhebung der Verzinsung zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt.“ Das ist das Ei des Kolumbus. Der Vorteil dieser Maßnahme ist zunächst der, daß eigentlich niemand etwas davon merkt. Die Anleihestücke bleiben ruhig in den Depots liegen, nur kriegen sie keine Jungen, so wenig wie ein Buch, oder ein Schrank, oder ein sonstiger verbrauchbarer Gegenstand, den man an seinen Freund geliehen hat.
Braucht man Geld, so holt man sich eben einen Kriegsanleihschein und bezahlt damit. Entzinsung der festverzinslichen Werte ist Gesundung in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung.So viel Schönheit und Papierwert wie unsere übrigen 10-, 20-, 100- und 1000-Mark-Scheine haben die Kriegsanleihescheine ja schließlich auch. Von einer Überschwemmung des Marktes mit Zahlungsmitteln kann bei einer derartig stoßfreien Überführung der Zinsenwirtschaft in die zinsfreie Volkswirtschaft gar keine Rede sein. Die Kriegsanleihestücke befinden sich ja bereits sämtlich wohlverwahrt und aufbewahrt in den Banktresors oder sonstigen vom Volk als diebessicher betrachteten Verstecken, als das sind der wollene Strumpf oder der Misthaufen. Es kann die Tatsache doch gar nicht geleugnet werden, daß die ausgegebenen papiernen Zahlungsmittel in Höhe von beiläufig 40 Milliarden ja auch nicht im Umlauf sind, sondern zum allergrößten Teil in der oben geschilderten Weise thesauriert sind. Unser Bedarf an Zahlungsmitteln war auch zu Zeiten der Hochkonjunktur vor dem Kriege nur etwa 4—6 Milliarden, und davon, daß wir heute mehr als das Doppelte dieser Summe bräuchten, kann bei dem sich immer mehr einbürgernden bargeldlosen Zahlungsverkehr keine Rede sein.
Ganz in der gleichen Weise ist selbstverständlich die Entzinsung für alle festverzinslichen Werte vorzunehmen. Für diese Werte, sowie für die Dividendenwerte wird sich indes mehr die ursprünglich für alle Werte vorgeschlagene „Rückzahlung“ in 20 oder 25 Jahresrenten empfehlen, so insbesondere auch für die Hypotheken. Die Brechung der Zinsknechtschaft für die Hypotheken bedeutet zweifellos die Lösung des Wohnungsproblems, die Befreiung von den unerschwinglichen Mieten. Es ist ebensowenig einzusehen, warum der Inhaber einer Hypothek aus der einmal dargeliehenen Summe ewigen Zinsgenuß haben soll, warum ihm ein mühe- und endloser Güterzufluß beschieden sein soll, warum die große Masse eines Volkes nur diesem ungesunden Zinsprinzip zuliebe jahraus, jahrein die hohen Mieten zahlen soll. Nur ganz kurz sei eingeschaltet, daß selbstverständlich von einer völligen Abschaffung des Mietzinses nicht die Rede sein kann, da ja die Verwaltung und Unterhaltung der Häuser ständig Arbeit und Geld erfordert. Es wird also eine Absenkung der Mieten nur soweit eintreten können, als durch die erfolgte Rückzahlung der Hypotheken sich von selbst ergibt.
Nur eines soll in aller Schärfe betont sein, daß die Brechung der Zinsknechtschaft nicht das geringste mit unserer gesamten werteschaffenden Arbeit zu tun hat, insofern, als dem Unternehmergeist, der schaffenden Arbeit, der Erzeugung von Gütern, dem Erwerb von Reichtum in gar keiner Weise ein Hemmnis bereitet wird; im Gegenteil wird, wie wir gesehen haben, das ganze werktätige Volk von einem dumpfen, unerklärlichen, schweren Druck befreit; unser Seelenleben wird gereinigt von einem berauschenden Gift.
Wie richtig im Laufe der Geschichte die Fruchtbarkeit des Zinsproblems erkannt worden ist, erkennen wir daran, daß zu allen Zeiten und in allen Völkern das Zinsproblem die Geister beschäftigte.Der Kampf gegen den Zins ist in der Geschichte der Völker nicht neu.
Im Alten Testament finden wir an verschiedenen Stellen, so 3. Mos. 25, 5. Mos. 15 Bestimmungen über Zinsnachlässe in der Form, daß das siebente Jahr jedesmal ein Hall-Erlaß oder Jubeljahr sein sollte, in welchem alle Schulden den Volksgenossen nachgelassen werden sollten.
Solon hat im Jahre 594 v. Chr. durch Gesetz die persönliche Schuldknechtschaft aufgehoben. Man nannte dieses Gesetz die große Seisachtheia. (Lastenabschüttelung.)
Im alten Rom verbot die lex Gemicia vom Jahre 332 v. Chr. den römischen Bürgern kurzerhand überhaupt das Zinsennehmen.
Unter Kaiser Justinian wurde ein Zinseszinsverbot erlassen, mit der Bestimmung, es dürften überhaupt keine Zinsen mehr gefordert werden, wenn die rückständigen Zinsen bis zur Höhe des ursprünglich dargeliehenen Kapitales angewachsen seien.
Papst Leo I. d. Gr. erließ im Jahre 443 ein allgemeines Verbot, Zinsen zu nehmen; es war bis dahin nur den Klerikern untersagt, Zinsen von einem Darlehen zu fordern. Nun wurde das Zinsenverbot Teil des kanonischen Rechtes und auch eine für die Laien verbindliche Vorschrift. Allmählich schloß sich auch die weltliche Gesetzgebung den kanonischen Anschauungen an, und bedrohte das Zinsnehmen sogar mit Strafe. Wir finden dies in den Reichspolizeiverordnungen der Jahre 1500, 1530 und 1577.
Allerdings wurden nun derartige Gesetze viel bekämpft und vielfach umgangen, und es mag nur noch bei diesem ganz kurzen historischen Rückblick als eine erstaunliche historische Tatsache erwähnt sein, daß während das kanonische Recht vom 11. bis 17. Jahrhundert den Christen das Zinsnehmen verboten hatte, dies den Juden gestattet war.
Es wäre außerordentlich reizvoll, zu untersuchen, welche wirtschaftlichen Auswuchserscheinungen jeweils zu diesen gewaltsamen Lastenabschüttelungen geführt haben. Es wäre besonders wertvoll, zu sehen, welche Mächte und Kräfte die Zinsverbote immer wieder durchbrochen haben.
Im Mittelalter ist ja wohl mit den Wucherern oft kurzer Prozeß gemacht worden, die Bauern oder ausgesogenen Bürger haben sich zusammengetan, und die Wucherer erschlagen. Heute sind wir in ein ganz anderes Entwicklungsstadium des Zinsproblems getreten. Solche Pogrome werden aufs tiefste mißbilligt. Es handelt sich auch gar nicht mehr um einzelne lokal begrenzte Krankheitserscheinungen, die durch das Ausschneiden des Eiterherdes bekämpft werden könnten, es handelt sich um eine schwere Erkrankung der ganzen Menschheit. Es mag ganz besonders betont sein, daß gerade unsere heutige Kultur gerade die Internationalität der wirtschaftlichen Beziehungen das Zinsprinzip so mörderisch machen. Der gegebene historische Rückblick soll auch gar keine Analogie sein für die heutigen Verhältnisse. Wenn die Babylonier die Assyrer, die Römer die Karthager, die Germanen die Römer überwanden, so gab es keine Fortdauer der Zinsknechtschaft; es gab keine internationalen Weltmächte. Die Kriege wurden auch nicht durch Borgen finanziert, sondern mit den während des Friedens angesammelten Schätzen. Eine sehr nette Zusammenstellung hierüber gibt David Hume in seiner Abhandlung über den Staatskredit. Erst die neue Zeit mit ihrer Kontinuität des Besitzes und ihrem internationalen Recht läßt die Leihkapitalien ins Unangemessene steigen. Der Pfennig, der zur Zeit von Christi Geburt auf Zinsen gelegt wurde, existiert nicht mehr, weil inzwischen mehrmals alle Besitzrechte der Gewalt weichen mußten; dagegen existiert der Pfennig, den der alte Rotschild auf Zinsen gelegt hat und wird, wenn es ein internationales Recht gibt, in alle Ewigkeit existieren. Es ist außerdem zu bedenken, daß weite Strecken der Erde erst in der neuen Zeit von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft übergegangen sind. Ganz besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts alle Beschränkungen im Zinsennehmen bezw. alle Zinsverbote abgeschafft wurden. So in England im Jahre 1854, in Dänemark 1856, in Belgien 1865, in Oesterreich 1868.
Also nicht viel älter wie ein halbes Jahrhundert ist der mit dem Geldbesitz heute als unzertrennlich betrachtete Zinsbegriff. Aber gerade dieser Zinsbegriff hat erst das Geld zu der dämonischen Macht von so allgemeiner Gewalt werden lassen, wie wir es kennen gelernt haben. Erst seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts datiert auch die beginnende und dann immer stärker werdende Verschuldung der Staaten gegenüber den Kapitalisten. Erst seit dieser Zeit sehen wir den Staat vom Sachwalter der Volksgemeinschaft zum Sachwalter der kapitalistischen Interessen herabsinken. Diese Entwicklung hat ihren Höhepunkt in den Kriegsanleihen erreicht, denen wir in allen Ländern begegnen, die ausschließlich, wie wir erkannt haben, nur mammonistischen Interessen dienen, und denen nunmehr durch das riesenhafte Kreditgebäude einer Weltanleihe die Krone aufgesetzt werden soll.
Diese kurzen Rückblicke mögen es uns erleichtern, daß wir endgültig mit der Vorstellung brechen, es müsse dem Leihkapital die überirdische Macht verliehen sein, ewig und unaufhaltbar aus sich selbst heraus zu wachsen. Mit einer fürchterlichen aussaugenden Kraft begabt. Wir müssen damit brechen, daß das Leihkapital unerreichbar dem Weltgeschehen und Vergehen soll tronen können über den Wolken, unerreichbar der Vergänglichkeit, unerreichbar den Gewalten der Zerstörung, unerreichbar den Geschossen unserer Riesengeschütze. Das Leihkapital ist die Geißel der Menschheit.Denn mögen auch Häuser und Hütten, Eisenbahnen und Brücken von Granaten zerschmettert in Staub und Asche sinken, die Hypotheken bleiben bestehen, die Eisenbahn- und Staatsschuldverschreibungen werden dadurch nicht ausgetilgt. Mögen Dörfer und Städte, ganze Provinzen der wahnsinnigen Zerstörung des Krieges zum Opfer fallen, was verschlägt es, neue Schuldverschreibungen bedeutet dies. Mit gierfunkelnden Augen sieht die über den Wolken tronende goldene Internationale dem tollen Treiben der Menschheit zu. Und nicht fern ist die Zeit, bis schließlich restlos die ganze Menschheit als Zinsklaven dem Mammonismus dient. …
International ist der Gedanke; die ganze Welt muß er befreien. Heil der Nation, die zuerst den kühnen Schritt wagt. Bald werden alle anderen folgen. Die oft an mich herangetretene Frage, ob der Gedanke überhaupt national durchführbar sei, beantworte ich mit — ja. — Wir sind intern verschuldet. Gegen ausländische Zinsansprüche sind wir natürlich zur Zeit machtlos; die müssen eben bezahlt werden. Übermäßiger Kapitalabfluß muß nach Möglichkeit gesperrt werden, aber, so wenig sich der Gesetzgeber davon abhält, Gesetze gegen Mord, Totschlag, Betrug etc. auszuarbeiten, weil es doch immer wieder Lumpen gäbe, so wenig darf sich ein Volk in seiner Gesamtheit davon abhalten lassen, einen als notwendig erkannten Schritt zur Gesundung seiner Staatsfinanzen zu tun, nur deshalb, weil nicht gerade die besten Teile des Volkes ihr errafftes Geld im Auslande in Sicherheit zu bringen versuchen. Die Brechung der Zinsknechtschaft ist trotz ihrer Internationalität national möglich.— Gesetzt den Fall, es würden Hunderte, ja Tausende von Millionen Kriegsanleihestücke ins Ausland verbracht werden, so würde selbst dies noch kein einschneidendes Moment für die Unterlassung der Brechung der Zinsknechtschaft sein können, denn der Größenordnung nach müssen ja doch von den über 250 Milliarden festverzinslichen inländischen Anlagewerten der allerallergrößte Teil im Inlande verbleiben.
Wir wollen nochmals kurz zusammenfassen.Schlußbemerkung. — Die Brechung der Zinsknechtschaft ist das Radikalmittel für die endgültige und dauernde Gesundung unserer Staatsfinanzen. — Die Brechung der Zinsgemeinschaft bedeutet die Möglichkeit des Verzichtes auf drückende direkte und indirekte Steuern, weil die werbenden Betriebe des Staates bisher schon und erst recht nach Vornahme weiterer für die Sozialisierung geeigneter Gebiete (Binnenschiffahrt, Elektrizitätsversorgung, Luftverkehr usw.) genügend Überschüsse in die Staatskassen abliefern, um daraus alle sozialen und kulturellen Aufgaben des Staates zu bestreiten.
Über diesen finanziellen Gesichtspunkt hinaus wird die Brechung der Zinsgemeinschaft der schaffenden Arbeit in allen Berufszweigen die ihr gebührende erste Stelle einräumen. Das Geld wird wieder zurückverwiesen in die ihm allein zukommende Rolle, ein Diener zu sein in dem gewaltigen Getriebe unserer Volkswirtschaft. Es wird wieder werden, was es ist, eine Anweisung auf geleistete Arbeit und einem höheren Ziel wird damit der Weg geebnet, der Abkehr von der rasenden Geldgier unseres Zeitalters.
Der Gedanke will eine geschlossene Front der ganzen werktätigen Bevölkerung herstellen vom besitzlosen Arbeiter, der wie wir gesehen haben, sehr kräftig im Wege der indirekten Steuer für die Befriedigung des Leihkapitales herangezogen wird, über die gesamte bürgerliche Schicht der Beamten und Angestellten, des bäuerlichen und kleingewerblichen Mittelstandes hinweg, die in Gestalt von Wohnungselend, Bodenzinsen, Bankzinsen usw. die unbarmherzige Gewaltherrschaft des Geldes zu spüren bekommen, bis weit hinauf zu den führenden Köpfen, Erfindern und Direktoren unserer Großindustrie, die alle samt und sonders mehr oder weniger in den Krallen des Großleihkapitales stecken, für die es als erste Lebensaufgabe immer heißt: Renten, Zinsen, Dividenden erarbeiten für die hinter den Kulissen spielenden Geldmächte. Nicht minder gehören auch alle Kreise der Intelligenz, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Wissenschaftler, sowie die übrigen Angehörigen der freien Berufe hinzu.
Mag das Großleihkapital bewußt oder instinktiv als natürliche Personengruppe oder als Personifikation des Zinsprinzips die Tatsache seiner unbeschränkten Herrschgier zu verdecken suchen, mag unsere ganze auf dem römischen Recht, also dem dem Schutz seiner Plutokratie dienenden Rechte hervorgegangene Rechtssprechung noch so sehr den Schutz des Eigentums in den Vordergrund gedrückt haben und damit in das Rechtsbewußtsein unseres Volkes eingedrungen sein, die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes muß kommen, als einziger Ausweg aus der drohenden wirtschaftlichen Versklavung der ganzen Welt durch die goldene Internationale, als einer der Wege, um das Gift des Mammonismus mit seiner Versumpfung und Verseuchung der Mentalität unsres Zeitalters auszutreiben.