Es besteht kein Zweifel daran: Kurkuma ist eines der vielseitigsten Heilgewürze der Welt, wenn nicht das vielseitigste überhaupt. Die mehr als 800 experimentell nachgewiesenen positiven Wirkungen auf die Gesundheit und eine lange Heiltradition, die von einer tiefen Verehrung für die an echte Anteilnahme erinnernde Fähigkeit des Ingwergewächses, menschliches Leid zu lindern, geprägt ist, sprechen für sich.
Gleichzeitig könnte Kurkuma wie keine andere Pflanze die Existenz der Pharmaindustrie bedrohen, deuten vorläufige Forschungsergebnisse doch darauf hin, dass die Gelbwurzel mindestens ebenso wirksam ist wie 14 getestete Medikamente und darüber hinaus um einiges sicherer, was die toxikologischen Gefahren betrifft.
Welche Wirkstoffe enthält Kurkuma?
Gleichwohl konzentriert sich die Forschung der letzten 10 Jahre vorwiegend auf einen einzigen der vielen Hundert Inhaltsstoffe der Gelbwurzel, auf das wichtigste Polyphenol nämlich, das als Curcumin bezeichnet wird und dem Gewürz seine leuchtend goldene Farbe verleiht.
Dieser Forschungsschwerpunkt hat zur Entwicklung einiger durchaus wertvoller Produkte geführt, beispielsweise Curcumin-Phospholipid-Komplexe, die den konzentrierten Wirkstoff enthalten und die Resorptionsfähigkeit beziehungsweise Bioaktivität wesentlich steigern.
Allerdings entfaltet isoliertes Curcumin nur einen Bruchteil der heilenden Wirkung der ganzen Gelbwurzel, und diese Tatsache zeigt die – aufgrund von Selbstüberschätzung vernachlässigten – Grenzen des vorherrschenden Denkansatzes auf, der auf die Isolation des mutmaßlich wichtigen Inhaltsstoffes, des vermeintlichen Allheilmittels fixiert ist.
Wie wirksam sind die isolierten Inhaltsstoffe?
Inzwischen ist es für die Nahrungsergänzungsmittelindustrie bezeichnend, dem Vorbild der Pharmaindustrie nachzueifern, insofern sie sich darauf konzentriert, einen bestimmten »reinstofflichen« Baum in einem Wald an Komplexität – wie ihn jede pflanzliche Substanz repräsentiert – zu identifizieren und dabei danach zu streben, die Zufuhr aller angeblich »aktiven Inhaltsstoffe« in jeder Einzelgabe zu vereinheitlichen, ganz als ob es sich um ein Arzneimittel handeln würde.
Diese Extraktions- und Isolationsmethoden bringen urheberrechtlich geschützte Rezepturen hervor, auf die es die Erzeuger abgesehen haben, um ihre Produkte von allen anderen abzugrenzen und einen größeren Marktanteil an sich zu reißen – ein Wertversprechen, das dem Erzeuger nützt und nicht dem Konsumenten beziehungsweise Patienten.
In Wahrheit enthalten Nahrungsmittel und Kräuter keine einzigartige Substanz, kein Allheilmittel, das für die heilende Kraft der gesamten Pflanze verantwortlich ist. Vielmehr sind es Hunderte von Inhaltsstoffen, die in Heil- und Nahrungsmitteln durch die »unsichtbare Hand« Gottes oder der Natur – oder wie immer Sie es auch nennen möchten – zusammenfinden und deren Wirkung keinesfalls auf die Leistung einer einzigen messbaren pflanzlichen Verbindung oder Chemikalie reduziert werden kann.
Nur im Zusammenspiel entfalten die Inhaltsstoffe von Kurkuma ihre Wirksamkeit
Es ist noch gar nicht so lange her, dass eine äußerst beeindruckende Studie, die in der Zeitschrift Stem Cell Research & Therapy veröffentlicht wurde, die Ansicht untermauerte, Curcumin allein reiche nicht aus, um die heilsame Wirkung zu erklären, die Kurkuma als ganze Pflanze entfaltet.
Im Rahmen dieser Studie wurde entdeckt, dass ein weithin unbekannter fettlöslicher Inhaltsstoff der Gelbwurzel, das sogenannte ar-Turmeron, »als aussichtsreicher Wirkstoffkandidat für die Regeneration bei neurologischen Erkrankungen in Frage kommt.«
Unter dem Titel »Aromatic-turmerone induces neural stem cell proliferation in vitro and in vivo«6 (dt.: Ar-Turmeron fördert die Teilung von neuronalen Stammzellen in vitro und in vivo) untersuchten deutsche Forscher die Wirkung dieser in Kurkuma enthaltenen Verbindung auf neuronale Stammzellen – jene Untergruppe von Nervenzellen also, die fähig ist, sich fortlaufend selbst zu erneuern, was eine Voraussetzung für die Regeneration von Gehirngewebe ist.
Die Studie zeigte auf, dass sich die Zahl der neuronalen Stammzellen unter Einwirkung von ar-Turmeron7 infolge einer gesteigerten Teilungsrate erhöhte. Darüber hinaus führten diese neu entstandenen Stammzellen auch zu einer Vermehrung der ausdifferenzierten Nervenzellen, was verdeutlicht, dass ein Heilungsprozess stattfand. Dieselbe Wirkung konnte auch im Tiermodell nachgewiesen werden:
Bei Ratten, in deren Gehirn ar-Turmeron injiziert worden war, erhöhte sich die Teilungsrate der neuronalen Stammzellen, und es kam zur Neubildung von gesunden Hirnzellen.