Der Begriff Volksverhetzung bezeichnet in der Bundesrepublik Deutschland eine Straftat. Insbesondere der § 130 Abs. 3 StGB als Sondergesetz in der BRD stellt nach Meinung einiger Fachjuristen einen rechtsgeschichtlichen bzw. rechtspolitischen Anachronismus in der bundesdeutschen Gesetzgebung dar. Richtiger hieße es jedoch Bevölkerungs-Verhetzung, da Hetze gegen das deutsche Volk durchaus erlaubt und sogar erwünscht ist. Das Gegenstück in der DDR hieß Staatsfeindliche Hetze. Repressive Regime benötigen derlei Willkürparagraphen, um Gegner und Kritiker kriminalisieren und gegebenenfalls mundtot machen zu können.
Eine Gegenbewegung zu dieser Zensurverschärfung stellt der Beschluß der 102. Tagung des UN-Menschenrechts-Komitees dar, welche vom 11. bis 29. Juli 2011 in Genf stattfand. Das Komitee faßte für alle Unterzeichnerstaaten der UN-Menschenrechtskonvention – also auch die BRD, Frankreich, Österreich und die Schweiz – folgenden verbindlichen Beschluß:
„Gesetze, welche den Ausdruck von Meinungen zu historischen Fakten unter Strafe stellen, sind unvereinbar mit den Verpflichtungen, welche die Konvention den Unterzeichnerstaaten hinsichtlich der Respektierung der Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit auferlegt. Die Konvention erlaubt kein allgemeines Verbot des Ausdrucks einer irrtümlichen Meinung oder einer unrichtigen Interpretation vergangener Geschehnisse.“ (Absatz 49, CCPR/C/GC/34)
Das Reichsstrafgesetzbuch des Deutschen Reiches stellte im § 130 ursprünglich die „Anreizung zum Klassenkampf“ unter Strafe. Diese Vorschrift wurde durch die BRD im Jahre 1960 unter dem Namen „Volksverhetzung“ neu aufgelegt und dann 1994 so sehr erweitert, daß sein Verhältnis zum Ultima-Ratio-Prinzip und zum Bestimmtheitsgrundsatz nach Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes problematisch wurde.
In der BRD werden Billigung von Völkermord und somit Volksverhetzung, sofern sich diese gegen Deutsche wendet, jedoch im Sinne der gegenwärtigen politischen Korrektheit toleriert, bisweilen sogar bewußt gefördert. Besonders umstritten ist in diesem Zusammenhang der Ende 1994 eingeführte Absatz 3, nach dem mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer eine begangene Handlung (Zeitraum 1933 bis 1945) der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) bezeichneten Art (Völkermord) öffentlich oder in einer Versammlung und in einer Art, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, billigt, bestreitet oder verharmlost. Konkret bezieht sich dieser Absatz auf die „Holocaust-Leugnung“ (auch fälschlich „Auschwitzlüge“ genannt).
Beweisanträge von Verteidigern, wie z. B. Sylvia Stolz im Holocaust-Prozeß gegen Ernst Zündel, werden massiv unter Androhung von Strafen oder durch sofortige Verurteilung zu Geld- oder Gefängnisstrafe verhindert.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Leugnung als inhaltlich falsche Tatsachenbehauptung nicht als vom Recht auf Meinungsfreiheit geschützt angesehen. Das Gesetz wurde erlassen, um einer – ebenfalls möglichen – anderen Verfassungsinterpretation vorzubeugen.
Kritiker des Absatzes 3 werfen ein, daß hiermit die Äußerung einer bestimmten Meinung unter Strafe gestellt werde, die sich nur schwer als „direkter Aufruf zur Gewalt“ interpretieren lasse. Zum anderen sei der erwähnte Absatz auch rechtsdogmatisch kein „allgemeines Gesetz“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, sondern ein speziell auf einen Einzelfall bezogenes und somit unwirksam bei der Einschränkung eines Grundrechtes.
Die Wandlungen des § 130
„Aufreizung zum Klassenkampf“
Ursprünglich untersagte der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches die „Aufreizung zum Klassenkampf“ und lief damit weitgehend leer – bis zum sogenannten Nieland-Fall. Der Hamburger Holzhändler Friedrich Nieland hatte eine antijüdische Broschüre verfaßt und sie an Minister und Parlamentarier des Bundes und der Länder verschickt.[1] Die Staatsanwaltschaft leitete gegen ihn und den Drucker ein Verfahren wegen Verbreitung staatsgefährdender Schriften und öffentlicher Beleidigung der Juden in der BRD ein, doch die Große Strafkammer des Hamburger Landgerichts lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Das geriet zum Skandal. Daraufhin widmete der Gesetzgeber 1960 mit dem 6. Strafrechtsänderungsgesetz die Vorschrift um zur Verfolgung von „Volksverhetzung“. „Wer zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen sie aufstachelt oder sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“, wurde fortan mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht. Diese Rechtslage hielt 34 Jahre – bis zum Prozeß gegen den damaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert. In einem Anklagepunkt war der Angeklagte für eine „einfache“ Holocaust-Bezweiflung nur wegen Beleidigung in Tateinheit mit der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, nicht aber wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Daraufhin ordnete der Gesetzgeber 1994 im Zuge des Verbrechensbekämpfungsgesetzes auch die einfache Holocaust-Bezweiflung dem Volksverhetzungs-Paragraphen mit einer deutlich erhöhten Strafandrohung zu.[2]
2005 erneut auf der Tagesordnung
Im Jahre 2005 stand der Volksverhetzungs-Paragraph erneut auf der Tagesordnung. Diesmal ging es weniger darum, ein strafwürdiges und bislang straffreies Verhalten unter Strafe zu stellen, als darum, für die Anordnung von Versammlungsverboten den Behörden gegenüber den lästigen Haarspaltereien der Verwaltungs- und Verfassungsgerichte eine robustere Rechtsgrundlage zu geben. Anlaß waren der 60. Jahrestag des Kriegsendes und die Furcht vor Demonstrationen rechtsradikaler Kräfte, insbesondere vor einer für den 8. Mai angemeldeten Demonstration vor dem Brandenburger Tor und den Demonstrationen am Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß in Wunsiedel. Mit dem Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches vom 24. März 2005 wurde so ein weiterer Absatz in den Volksverhetzungsparagraphen eingeführt, der auch die öffentliche Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der nationalsozialistischen Herrschaft unter Strafe stellte. Nach Ansicht des Richters am Bundesgerichtshof Thomas Fischer, verantwortlicher Autor eines Standard-Kommentars zum Strafgesetzbuch (Tröndle/Fischer), greift der Tatbestand auf allgemeine politische Wertungen und Evidenzgesichtspunkte zurück und entfernt sich weit von der gebotenen tatbestandsmäßigen Bestimmtheit. Wenn man ihn auf den dem Bestimmtheitsgebot genügenden Kern reduziere, blieben gerade die Ad-hoc-Anlässe, auf welche die Gesetzesänderung abzielte, außen vor. In der Praxis würden die vielfach verschraubten, auch bei gutem Willen kaum noch verständlichen Varianten des Paragraphen 130 kaum ernst genommen und nach Maßgabe normativer Evidenz-Betrachtungen „vereinfacht“.[2]
Die Grenze ist kaum auszumachen
Klar ist soviel, daß eine Äußerung nicht nur dann strafbar ist, wenn sie sich auf die nationalsozialistische Herrschaft insgesamt bezieht und sie irgendwie positiv bewertet, sondern unter Umständen auch dann, wenn sie einen einzelner Verantwortungsträger oder eine Symbolfigur in besonderer Weise würdigt. Es steht keineswegs fest, welche Repräsentanten Deutschlands aus der Zeit von 1933 bis 1945 man wie straffrei öffentlich loben darf und welche nicht. Bewundernde Aussagen etwa über Wehrmacht, Waffen-SS, Reichsarbeitsdienst, den Autobahnbau oder über Verantwortliche aus Wirtschaft, Kultur, Rechts- und Gesundheitswesen sollen nach Auffassung Fischers hinzunehmen und auch dann straffrei sein, wenn sie für die Bundesrepublik peinlich sind. Wo aber genau die Grenze liegt und Billigung der gesamten Herrschaft beginnt, ist jedenfalls für Nichtjuristen kaum auszumachen. Immerhin 2.957 Personen haben sich nach dem Verfassungsschutzbericht des Bundes im Jahr 2005 in dieser Grauzone verfangen und wurden wegen Volksverhetzung verurteilt. Nach der Statistik des Bundeskriminalamtes gab es im Jahr 2005 2.812 Verdachtsfälle. Für den Adressaten des Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches ist es zweifellos am sichersten, den Themenkreis überhaupt zu meiden und andere als pauschal verdammende Meinungen für sich zu behalten.[2]
Volksverhetzungs-Paragraph soll ausgeweitet werden
Die Bundesregierung plant den Geltungsbereich des Paragraphen 130 des Strafgesetzbuchs (Volksverhetzung) auszuweiten. Bisher machte sich nur derjenige strafbar, der „zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert“. Künftig sollen aber nicht nur Gruppen unter dem besonderen Schutz des Gesetzes stehen, sondern bereits einzelne Angehörige.
Was zuvor als Beleidigung oder Bedrohung gewertet wurde, könnte dann als „Volksverhetzung“ mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden, wenn der Angriff sich nicht nur auf die Person des betroffenen erstreckt, sondern auch seine rassische, nationale, ethnische Herkunft oder seine Zugehörigkeit zu einem anderen abgrenzbaren Teil der Bevölkerung einbezieht.
Nach dem Grundgesetz Artikel 19 Ziffer 1 muß in jedem Gesetz, welches ein durch das Grundgesetz gewährtes Grundrecht verletzt, ein Hinweis auf den verletzten Artikel im Grundgesetz enthalten sein (Zitiergebot). In § 130 ist kein Hinweis enthalten, der auf das verletzte Grundgesetz Artikel 5 (Meinungsfreiheit) hinweist. Daher handelt es sich bei dem § 130 um ein ungesetzliches Gesetz und jede Anwendung entspricht Rechtsbeugung.
Art. 19 Grundgesetz:
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
Bezweifeln des sogenannten „Holocaust“ ist zu schützendes Rechtsgut
Im Rahmen der 102. Tagung des Menschenrechtskomitees der Vereinten Nationen (11.–29. Juli 2011 in Genf) hat die Abteilung Menschenrechte der Vereinten Nationen klipp und klar entschieden, daß insbesondere das Bestreiten des Holocaust als zu schützendes Rechtsgut der freien Meinungsäußerung gelten müsse und nicht verfolgt werden dürfe. Das Komitee faßte für alle Unterzeichnerstaaten der UN-Menschenrechtskonvention, also auch die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Schweiz, folgenden verbindlichen Beschluß:
„Gesetze, welche den Ausdruck von Meinungen zu historischen Fakten unter Strafe stellen, sind unvereinbar mit den Verpflichtungen, welche die Konvention den Unterzeichnerstaaten hinsichtlich der Respektierung der Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit auferlegt. Die Konvention erlaubt kein allgemeines Verbot des Ausdrucks einer irrtümlichen Meinung oder einer unrichtigen Interpretation vergangener Geschehnisse.“ (Absatz 49., CCPR/C/GC/34)
Das Komitee bezieht sich hauptsächlich auf das Bestreiten der Holocaust-Lügen, denn es verweist eindeutig mit der Fußnote 166 extra auf das französische Holocaust-Verfolgungsgesetz (Lex Faurisson): „Die sogenannten Erinnerungs-Gesetze wie im Fall Faurisson gegen Frankreich, Nr. 550/93.“
Das sogenannte Bundesverfassungsgericht äußerte sich im Beschluß 1 BvR 2083/15 vom 22. Juli 2018 u.a. wie folgt:
„Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht“.[3][4]
Quellen
- Der Kautschuk-Akt, Der Spiegel, 30. März 1960
- Die Wandlungen des Paragraphen 130, Junge Freiheit, 10. November 2006
- Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, bundesverfassungsgericht.de
- Meinungsfreiheit auch für NS-Verharmloser – Betreiber von Netzradio Germania: Zahl der ermordeten Juden „erbärmlich gelogen“, Epoch Times, 3. August 2018